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Cradle to Cradle: Noch ökologischer bauen

Das Cradle to Cradle-Prinzip macht den Hausbau noch ökologischer. Viele Fertigbauhäuser erfüllen bereits einige der strikten Kriterien.

Klar, ein Haus belastet immer auch die Umwelt. Beim Bau, während der Nutzung. Die Energiebilanz ist beachtlich. Und wird ein Gebäude abgerissen, wird – je nach Bauweise – aus energieaufwendig aufbereiteten Rohstoffen Abfall.

Es gibt viele Wege, diese Belastung klein zu halten. Einer der radikalsten ist das Cradle to Cradle-Prinzip.

Bauschutt macht rund die Hälfte des Abfallaufkommens in Deutschland aus. Auf das Bauwesen sind 90 Prozent der inländischen Rohstoffentnahme und 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen zurückzuführen, wie die Berliner Cradle to Cradle NGO vorrechnet.

Die Politik ist gefordert. Mit dem Europäischen Green Deal will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine "neue Europäische Bauhaus-Bewegung" anstoßen. "Wir müssen umdenken und umplanen“, fordert sie. Die Wirtschaft müsse sich stärker in Kreisläufen organisieren.

Das sieht Nora Sophie Griefahn, geschäftsführende Vorständin der Berliner Cradle to Cradle NGO, ähnlich. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter: "Wirtschaft muss sich nicht nur stärker, sondern komplett in Kreisläufen organisieren." Für Klimaneutralität brauche es mehr als nur das Zurückfahren der Emissionen.

Angesichts der Bestrebungen der deutschen Bundesregierung, die gesetzten Klimaziele zu erreichen (bis 2030 sollen die Emmissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken), spielt der Bausektor eine entscheidende Rolle. Dabei steht u.a. die Transformation des Bauwesens im Zuge der Kreislaufwirtschaftsstrategie bzw. des Cradle to Cradle-Prinzips weit oben auf der politischen Agenda.

Denn kreislauffähige und schadstofffreie Baustoffe und Materialien sind nicht nur aus ökologischer Sicht wichtig, sondern auch eine große wirtschaftliche Chance. Vor allem das kommunale Bauwesen ist gefragt, den Bausektor zur treibenden Kraft für eine geschlossene Kreislaufwirtschaft zu machen. Aber auch im privaten Hausbau gewinnt die Idee von Cradle to Cradle immer mehr an Bedeutung.

Bauen und Sanieren nach dem Cradle to Cradle-Prinzip, was heißt das überhaupt?

 

Was versteht man unter Cradle to Cradle?

Das Cradle to Cradle-Prinzip, oft C2C abgekürzt, entstand Ende der 1990er Jahre. Es wurde vom deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-Architekten William McDonough entwickelt.

Ins Deutsche übersetzt bedeutet Cradle to Cradle 'von der Wiege zur Wiege'. Eine Anspielung auf 'from the cradle to the grave', also 'von der Wiege bis zur Bahre'. Damit soll verdeutlicht werden, dass in diesem System jedes Ende zugleich ein Anfang ist.

Die Idee dahinter ist simpel: Eine Kreislaufwirtschaft, die sich an den Stoffkreisläufen der Natur orientiert. Dabei sind alle Substanzen Grundlage und Nährstoffe für etwas Neues. Alle Ressourcen zirkulieren also in endlosen Kreisläufen

Es gibt keine Müllhalden, keine Müllverbrennungsanlagen mehr, alles ist Stoff aus dem Kreislauf und für den Kreislauf, entweder den biologischen – sprich: die Natur – oder den technischen. Alles hat eine Funktion, nichts bleibt ungenutzt. Auf diese Weise wird ein positiver ökologischer Fußabdruck erzeugt.

Das Cradle to Cradle-Prinzip lässt sich auf verschiedene Bereiche anwenden – von Architektur über Konsumprodukte bis hin zu Dienstleistungen. In der Textilbranche gibt es beispielsweise biologisch abbaubare Fasern, die sich in einen ökologischen Kreislauf integrieren lassen. Das gleiche Prinzip lässt sich auch auf Baustoffe bzw. das Bauwesen übertragen.

Fünf C2C-Kriterien

Soll ein Produkt gemäß Cradle to Cradle-Prinzip zertifiziert werden, wird es nach fünf Kriterien geprüft:

  1. Es muss rückstandsfrei wieder in seine Bestandteile zerlegbar sein.
  2. Es muss frei von Schad- und Giftstoffen sein.
  3. Seine Herstellung muss möglichst CO2-frei sein, mithilfe erneuerbarer Energien.
  4. Seine Herstellung darf den natürlichen Wasserhaushalt nicht in Mitleidenschaft ziehen.
  5. Seine Herstellung muss sozialverträglich geschehen.

Im Fall eines Gebäudes muss man alle Komponenten und Ausgangsstoffe am Tag X sauber trennen können, so, dass man aus ihnen das nächste Haus bauen kann. Oder etwas anderes. Oder sie kompostieren kann. 

Cradle to Cradle im Hausbau

Nach dem Vorbild der Natur ist jeglicher Abfall, der vor, während und nach einem Hausbaus entsteht, Nährstoff. Beim Cradle-to-Cradle-Prinzip im Bauwesen werden also nur noch Materialien eingesetzt, die kreislauffähig sind.

Fürs Bauwesen bedeutet das, dass ein Haus das Cradle to Cradle-Prinzip erst erfüllt hat, wenn 

  • es mehr Energie produziert, als seine Bewohner verbrauchen
  • seine Hausfassade CO2 und Feinstaub bindet
  • die Innenräume wohngesund sind
  • der Hausbau und seine Bestandteile keinen Beitrag leisten zu den 60 Prozent, die die Bauwirtschaft am gesamten Müllaufkommen der Welt hat.

Impulse von Kommunen

Mit dem Leitfaden C2C im Bau: Orientierung für Kommunen liefert die Cradle to Cradle NGO den Verantwortlichen in Städten und Gemeinden konkrete Handlungsempfehlungen für C2C-Lösungen im Bau. Denn mit einem C2C-Konzept leisten Kommunen einen positiven Beitrag für Umwelt und Menschen und schaffen damit Leuchtturmprojekte.

Viele Inhalte des NGO-Leitfadens sind aber auch für C2C-Bauprojekte im privaten Bereich gültig. Damit soll nicht zuletzt ein Umdenken hin zu C2C bei Neubau, Sanierung und Innenraumgestaltung im privaten Bausektor erreicht werden.

Ein Recht auf Reparatur

Mit dem sogenannten Recht auf Reparatur soll Elektroschrott im Sinne von Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz eingedämmt werden. Was sagen erfahrende Rechtsanwälte dazu? Foto: mitand73/stock.adobe.com

Das Berliner C2C Lab sieht das Cradle to Cradle-Prinzip als "interdisziplinäre Bewegung“, bei der Architekten, Bauingenieure und Designer eng zusammen arbeiten.

"Es ist eine Architektur, die sich naturnahe Formen und Konstruktionsprinzipien zu eigen macht, die von Anfang an auf Wechselwirkungen in Ökosystemen Rücksicht nimmt, die Nachhaltigkeit und Wiederverwendbarkeit von Anfang an einplant“, so C2C-Expertin Nora Sophie Griefahn.

Ein weiterer Vorteil des Cradle to Cradle-Prinzips im Bauwesen: Die Kreislaufwirtschaft kommt nicht nur der Umwelt, sondern auch der Wohngesundheit des Menschen zugute. So schaffen die natürlichen Baustoffe ein angenehmes Raumklima. Ein C2C-Gebäude hat eine gesunde Innenraumluft und fördert das Mikroklima.

Stefan Otto renovierte eine Berliner Altbauwohnung nach dem Cradle to Cradle Prinzip.

Bauen für die Zukunft

Beim Cradle to Cradle-Prinzip im Hausbau geht es darum, Gebäude gesund für Mensch und Umwelt zu gestalten. Während des Bauprozesses sollten keine Rohstoffe verloren gehen. Vorgefertigte Wand- oder Deckenelemente sind ein Beispiel für den Cradle to Cradle Ansatz beim Hausbau, wenn sie in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt und dem Kreislauf zurückgeführt werden können.

Mit dem "Woodcube" in Hamburg wurde 2013 das erste Mehrfamilienhaus mit Cradle-to-Cradle-Zertifikat fertiggestellt, in Massivholzbauweise, ohne Einsatz von Leim. In Stuttgart ist ein Mehrparteienhaus aus Bausteinen aus Massivholz in Planung. Für die Gründung ist ausschließlich Stahl vorgesehen. Anders als Stahlbeton, sagen die Architekten, sei er einfach wiederaufzubereiten.

Wer neu bauen will, sollte die Baumaterialien sorgfältig auswählen. Die sogenannte "graue Energie" – also die gesamte Energiemenge, die für die Herstellung eines Produkts benötigt wird – kann durch ökologische und nachhaltige Baustoffe und -produkte deutlich reduziert werden. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit wenig Energieaufwand hergestellt werden können und nach der Nutzung biologisch abbaubar sind. Und: Je regionaler die Materialien bezogen werden, desto nachhaltiger sind sie in der Regel.

Komplette Einfamilienhäuser mit einem C2C-Siegel gibt es bislang noch nicht. Einige Anbieter von Holzhäusern arbeiten allerdings schon länger mit Verfahren, die dem Grundgedanken von Cradle to Cradle verwandt sind, setzen ebenfalls auf Massivholz und nutzen etwa für die Verbindungen Schrauben aus Buche.

Der Haushersteller Baufritz hat sich bereits 2012 seinen Dämmstoff HOIZ zertifizieren lassen. Zutaten sind lediglich Hobelspäne, Soda (gegen Schimmelbefall) und Molke (entwickelt im Brandfall Stickstoff, der den Sauerstoff verdrängt).

Bei einem nach dem Cradle to Cradle-Prinzip erbauten Haus sind alle eingesetzten Materialien demontierbar und recycelbar. Das Gebäude bezieht seinen Strom- und Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Energien und produziert mehr sauberen Strom als es selbst verbraucht. Hinzukommt ein wohngesundes Raumklima. Viele dieser Kriterien erfüllt ein Fertighaus bereits heute.

Der C2C-Ansatz lässt sich auf den modernen Holzhausbau übertragen. Denn der nachwachsende Rohstoff Holz kann mehrfach genutzt werden, bevor er wieder Nährstoff für den biologischen Kreislauf wird. Dank seiner langen Haltbarkeit und seiner Vorteile für ein gutes Raumklima wird Holz gerne in der nachhaltigen Architektur eingesetzt. Wichtig ist, dass die Behandlung des Holzes dem Recycling nicht entgegensteht

Um den Überblick zu behalten, kann man auf bestimmte Umweltzeichen achten. Das FSC-Siegel zertifiziert Hölzer aus verantwortungsvoller Forstwirtschaft.

Auch traditionelle Bauweisen mit Materialien wie Lehm oder Reet erfüllen den C2C-Gedanken umfassend. Zumindest solange die natürlichen Baustoffe nicht verunreinigt werden, etwa durch schädliche Beschichtungen.

Häuser, die als Kreislauf konzipiert sind und bei denen alles eine Funktion hat, ist die Vision von Kaiser-Haus. Das Unternehmen ist Teil des Netzwerks 81fünf, in dem sich Holzbauunternehmer, Zimmereien, Planer, Architekten und Haustechniker über die Zukunft des Holzbaus austauschen. Die Partner stehen dabei in engem Kontakt mit C2C-Pionier Michael Braungart.

"Wir brauchen Gebäude, die nützlich sind, die die Luft reinigen, die Wasser sauber halten, und die gut sind für alle Lebewesen", fordert Braungart. Dafür gebe es bereits erste Baustoffe wie Sumpfkalk, der die Raumluft filtert, oder Dachziegel, die mithilfe der Sonne Stickstoffe in unbedenkliches Nitrat umwandeln. "Immer mehr Produkte werden so hergestellt, dass sie positive Effekte haben. Sie werden nach ihrem Gebrauch nicht als Müll entsorgt, sondern bekommen einen neuen Nutzen."

Das Bauwesen ist ein zentraler Hebel für Veränderung und birgt großes Potenzial für Lösungen. Gerade im privaten Bausektor können Gebäude nach heutigem Stand jedoch nicht sämtliche Cradle to Cradle Kriterien vollständig erfüllen.

Ein Hausbau, der strikt dem Cradle to Cradle-Prinzip folgt, würde wohl jede Baufinanzierung sprengen. So ist es etwa kaum denkbar, dass selbst die genutzte Energie für Bau und Betrieb ausschließlich aus regenerativen Quellen stammt – eine Voraussetzung für ein Eigenheim nach 100-prozentigem C2C-Standard. Darüber hinaus erfordert Auswahl der schadstofffreien, oft kostenintensiven Materialien, deren einzelne Bestandteile abbaubar sein müssen, viel Fachwissen. Hinzu kommen Einschränkungen durch Bauvorschriften und andere gesetzliche Regularien.

Doch die Cradle to Cradle NGO weist darauf hin, dass bereits "C2C-inspirierte Gebäude", die also nicht sämtliche, aber viele Kriterien erfüllen, zu einer deutlichen ökologischen Verbesserung beitragen. "Bei der Integration von C2C in Gebäuden ist daher das Ziel, C2C so gut wie möglich anzuwenden und die bestmögliche Qualität zu erreichen", so Nora Sophie Griefahn.

Dachbegrünung: Machen Sie mehr aus Ihrem Dach!

Es muss nicht gleich Cradle to Cradle sein: Schon eine Dachbegrünung bringt viele ökologische Vorteile. Foto: re-natur GmbH

Bereits eine clever geplante Fassaden- oder Dachbegrünung steigert die Biodiversität, erzeugt Sauerstoff und bindet Feinstaub. Wer ökologisch bauen möchte, achtet also beispielsweise auf einzelne C2C-Kriterien wie Herkuft, Inhaltsstoffe und Produktion einzelner Materialien. In Zukunft könnte ein von der Regierung geplanter digitaler Ressourcenpass Auskunft daüber geben, aus welchen Materialien ein Haus besteht und in welchen Mengen die jeweiligen Stoffe vorhanden sind.

"Dadurch bleiben sie definierte Ressourcen, die nach der Nutzungsphase oder nach Um- oder Rückbauten in gleicher oder verbesserter Qualität wiederverwendet werden können", erklärt C2C-Expertin Nora Sophie Griefahn.

Förderung für nachhaltige Bauherren

Im Hausbau erhalten das KfW-Effizienzhaus 40 und 40 Plus lukrative Förderungen. Baut man die Version KfW-Effizienzhaus 40 außerdem noch besonders nachhaltig und "kreislauffähig" und lässt man sich das von Experten der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) oder einer anderen Institution bescheinigen, erhält man zusätzlich einen ordentlichen Bonus.

Im Neubaubereich werden nur noch das KfW-Effizienzhaus 40 und, deutlich großzügiger, das KfW-Effizienzhaus 40 Plus (mit Solarstromanlage und Hausbatterie) gefördert, das KfW-Effizienzhaus 55 seit Februar 2022 nicht mehr.

Bei nachhaltiger Bauweise kann das KfW-Effizienzhaus 40 in die "NH-Klasse" aufsteigen. Die maximal förderfähigen Kosten betragen dann 150.000 anstatt 120.000 Euro, wie beim Bau eines Effizienzhauses 40 Plus, der Tilgungszuschuss liegt bei immerhin 22,5 Prozent, also bei maximal 33.750 Euro.

Die Nachhaltigkeit des Projekts muss von einer von der KfW anerkannten Institution bestätigt werden, etwa von der DGNB oder von BiRN, dem Bau-Institut für Ressourceneffizientes und Nachhaltiges Bauen. Gibt sie grünes Licht, erhält das Vorhaben das QNG, das "Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude".

Erfahren Sie mehr über den C2C-Ansatz:

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