Baurechtliche Aspekte bei Anbau und Rückbau
Wer einen Anbau oder einen Rückbau realisieren möchte, muss einige baurechtlichte Aspekte beachten.
So wie ein Kleid meist nicht das ganze Leben passt, wird auch ein Haus, das sogar Generationen hält, nicht dauerhaft allen Bedürfnissen gerecht. Doch während man beim Kleid nach eigenem Gutdünken abnähen oder herauslassen kann, haben bei Häusern auch andere ein Wörtchen mitzureden. Zum Beispiel die Nachbarn oder das Baurechtsamt.
Ein Haus, das in die Jahre gekommen ist, fordert so manchen Eigentümer heraus, dem Ganzen einen neuen Zuschnitt zu geben. Sei es, dass die Bewohner selbst in die Jahre gekommen sind und der Grundriss nicht mehr zum beschwerlicher werdenden Leben passt. Sei es, dass eine junge Familie wächst und händeringend nach zusätzlicher Wohnfläche sucht. Sei es, dass Generationen zusammenziehen und dafür das Gebäude neu ordnen wollen.
Anbau – Alles im Rahmen
Wer sich im Gestrüpp gesetzlicher Regelungen, Vorgaben zur Energieeinsparung und den Tücken alter Bausubstanz nicht hoffnungslos verheddern will, geht den Anbau am besten mit einem Architekten an. Wenn man die Expertise eines Fachmannes nutzt, kann dieser so manche Idee optimieren.
In aller Regel werden Altimmobilien durch Anbauten an moderne Wohnbedürfnisse angepasst. Dabei spielen Größen wie die Grundflächenzahl oder Geschossflächenzahl eine Rolle. Sie definieren, mit wie viel Quadratmetern das Grundstück maximal überbaut werden darf und wie viel Quadratmeter Wohnfläche höchstens zulässig sind.
Wichtig ist außerdem die Lage des Baufensters auf dem Grundstück und welcher Spielraum innerhalb dieser Begrenzung noch für Erweiterungen vorhanden ist. Überdies müssen Abstandsflächen und Grenzabstände beachtet werden (siehe Kasten) sowie Dachneigungen, Dachformen, First- und Traufhöhen. Daraus ergeben sich Planungszwänge, mit denen man sich am besten von Anfang an auseinandersetzt.
Sie sind noch auf der Suche nach einer einfachen Möglichkeit Ihren Anbau zu realisieren? Wir erklären wie ein Anbau in Modulbauweise funktioniert. Foto: SchwörerHaus
Grenzabstände und Abstandsflächen
Grenzabstände und Abstandsflächen definieren im weitesten Sinn die Freiräume, die zwischen Gebäuden gewahrt werden müssen. Die Regelungen finden sich in den jeweiligen Landesbauordnungen und variieren teilweise von Bundesland zu Bundesland.
Der Grenzabstand bezieht sich auf die Grundstücksgrenze. Beträgt er zwei Meter, muss die Hauswand mindestens zwei Meter von dieser entfernt sein.
Die Abstandsfläche gewährleistet einen ausreichenden Lichteinfall und Luftdurchzug zwischen den Gebäuden und dient dem Brandschutz sowie – als sogenannter Sozialabstand – dem auskömmlichen Miteinander zwischen Nachbarn. Bei der Berechnung der Abstandsfläche spielt deshalb die Höhe der Wände eine Rolle.
Je höher die Wand, umso tiefer muss der Abstand zur Grundstücksfläche sein. Dächer und Dachaufbauten werden je nach Ausführung zur Höhe mit angerechnet. Eine Abstandsfläche von 0,5 H bedeutet, dass bei einer Höhe von sechs Metern mindestens drei Meter Abstand zur Grundstücksgrenze notwendig sind.
Die Freifläche muss auf dem eigenen Grundstück liegen, kann jedoch als Abstands-Baulast vom Nachbar übernommen werden. Das geht, wenn dieser sein Haus so weit von der eigenen Grundstücksgrenze entfernt gebaut hat, dass der Platz dazwischen für die eigene Abstandsfläche und die übernommene ausreicht. Allerdings nimmt der Nachbar mit diesem „Freundschaftsdienst“ in Kauf, dass der Wert seines Grundstücks durch die Baulast gemindert wird.
Rückbau – Fallstricke vermeiden
Aber auch wer nicht anbaut, sondern die äußere Form sogar zurücknimmt, kann mit Bebauungsplänen in Konflikt geraten. Im äußersten Fall wird er zum Rückbau des Rückbaus verurteilt und muss den „alten Zustand“ wiederherstellen.
Das kann passieren, wenn man ein Dachgeschoss durch eine Dachterrasse aufwerten will und hierfür das Dach öffnet, um einen Dacheinschnitt einzuziehen. Nicht jeder Bebauungsplan erlaubt Dacheinschnitte und wenn, dann oft nur innerhalb streng vorgegebener Abstände zu First, Dachtraufe und Ortgang sowie hinsichtlich Höhe, Breite und Tiefe.
Auch der Plan, einen maroden Dachstuhl abzutragen, kann weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Wenn dadurch der Bestandsschutz tangiert wird, ist es unerheblich, ob es mit einem höheren Kniestock neu aufgebaut werden soll oder komplett entfällt, weil ein Flachdach aufgesetzt wird.
Das Problem liegt woanders: Ein Gebäude, das rechtmäßig errichtet wurde, genießt Bestandsschutz. Es darf weiter genutzt werden, auch wenn es nicht mehr dem gültigen Baurecht entspricht. Außerdem dürfen Unterhaltungsmaßnahmen, Instandsetzungsmaßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen erfolgen. Im Rahmen von Umbaumaßnahmen besteht jedoch die Gefahr, dass der Bestandsschutz entfällt.
Wird das Gebäude verändert, zum Beispiel durch den Abriss einer Wand, greift er nicht mehr. Das kann sogar passieren, wenn lediglich Erker und Vorsprünge „zurückgestutzt“ werden, um eine klare Linie in den Baukörper zu bringen.
Dann muss gegebenenfalls das komplette Gebäude dem aktuellen öffentlichen Recht angepasst werden, einschließlich aller Vorschriften zu Brand-, Wärme- und Schallschutz, zur Stellplatzpflicht, zu Abstandsflächen und Nutzungsart. Das kann erhebliche Investitionen auslösen. In manchen Fällen ist eine Anpassung gar nicht möglich. Ein Risiko, das man durch gründliche Prüfung vermeiden kann.
Chancen beim Baurechtsamt
Der Gang zum Baurechtsamt sollte deshalb immer der erste Schritt vor der Planung sein, um sich vor bösen Überraschungen zu schützen. Zudem steigen dadurch die Chancen, dass die vorhandenen Vorschriften nicht gleich das Aus für einen schönen Plan bedeuten.
Im Gespräch mit der Behörde kann man ausloten, in welchem Rahmen Überschreitungen toleriert werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Befreiung von geltenden Vorschriften gegen Gebühr. Die besten Voraussetzungen, mit seinen Wünschen Gehör zu finden, sind dann gegeben, wenn im Umfeld bereits größer, höher oder bunter gebaut wurde, als laut Bebauungsplan erlaubt.
Zwar bindet das Amt diese hilfreichen Umstände niemandem auf die Nase, wer sich jedoch umschaut und zur Besprechung mit Bildern und Argumenten gewappnet erscheint, hat gute Karten. Denn was dem einen gewährt wurde, kann dem anderen nicht verwehrt werden.
Das gute Recht des Nachbarn
Darüber hinaus spielen Nachbarn mit angrenzenden Grundstücken eine Rolle. Sie müssen dem Bauvorhaben zustimmen. Solange Veränderungen im Rahmen des Bebauungsplans liegen, können sie ihre Zustimmung nicht verweigern. Bei allem, was darüber hinausgeht, können sie sich querstellen.
Nicht immer haben sie damit Erfolg, aber zeitraubender Ärger ist vorprogrammiert. Doch wenn es um nachbarschützende Vorschriften geht, wie beispielsweise Abstandsflächen, nützt auch ein großzügiges Baurechtsamt nichts, wenn der Nachbar auf seinem Recht besteht und nicht zustimmt.
Kreative Lösungen vom Architekt
Sobald der rechtliche Rahmen geklärt ist, kann der Architekt diesen ausreizen, um für seinen Bauherren die bestmögliche Lösung zu finden. Seine Kreativität ist gefragt, damit Einschränkungen durchs Baurecht nicht zu Einschränkungen bei den Wohnwünschen führen. Seine Aufgabe ist es, das Neue mit dem Alten harmonisch zu verbinden.
Gute Architektur lässt sogar Baurechtsämter über manchen Schatten springen. So ist vielen Stadtplanern ein selbstbewusstes Bekenntnis zu einer modernen Anbauvariante häufig willkommener als unklare Erweiterungen. Ein weiterer Beleg dafür, dass sich kreatives Planen lohnt und manche Grenze nur vermeintlich unüberwindbar ist.
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