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Büro ahoi! Arbeitsplatz auf Wellen

Ein Büro mit Aussicht: Dieser Hamburger Finanzberater ist in seinem Office immer im Work Float.

Work Float

Ulrich Ritter hat kein Kapitänspatent. Er ist auch kein Seemann. Aber einen Arbeitsplatz auf den Wellen hat er trotzdem. Denn das Büro des Hamburger Finanzberaters ist eine umgebaute Hafenfähre

„Meine Lebensgefährtin war sehr skeptisch, sagte, das wird länger dauern und mehr kosten. Und sie hat Recht behalten.“ Ulrich Ritter jedoch hatte sich die Sache in den Kopf gesetzt und sah in der alten, schon vor Jahren außer Dienst gestellten Hafenfähre Potenzial. Aus der könne man ein cooles, nicht ganz alltägliches Büro machen.

Und auch er hat Recht behalten. Ritter ist freier Finanzberater, empfängt heute seine Kunden auf der „Wohldorf“, am Sandtorkai in Hamburgs Speicherstadt, nicht weit von der Elbphilharmonie. 

"So schön hanseatisch"

Herr Ritter, Sie haben ein „Büro mit Aussicht“. Wie reagieren Ihre Kunden, wenn Sie das erste Mal auf die Fähre kommen?
Die Reaktionen sind ohne Ausnahme sehr positiv. „Mal was anderes“, „tolle Lage“oder  „So schön hanseatisch“ sind nur einige der begeisterten Kommentare.

Wie genau kamen Sie zur alten Hafenfähre?
Auf der Suche nach neuen Büroräumen, wenn möglich mit „Wasserflair“, hatte mich ein Unternehmer aus dem Hafen auf die Fähre aufmerksam gemacht, die ihm angeboten wurde. Er wollte nicht, ich schon. Nachdem ich bereits in den 1990er Jahren an Bord einer dieser zum Wohnschiff umgebauten Fähren war und mir 2010 schon einmal eine Fähre zum Kauf angeboten wurde, habe ich dieses Mal zugegriffen.

Was war Ihnen besonders wichtig?
Ich legte besonderen Wert auf eine Modernisierung mit möglichst kleinen Eingriffen in die ursprüngliche Optik. Und eine Einrichtung im Industrial-Vintage-Stil.

Welches waren die größten Herausforderungen beim Umbau der Fähre?
Einen „Bauplatz“ zu finden war nicht ganz einfach. Am Ende konnte dann aber im Museumshafen Harburg und später im Steendiekkanal gearbeitet werden. Schwierig waren vor allem die technischen Probleme. Da gab es einiges zu lösen: Asbest, die komplett neue Elektrik sowie das Frisch- und Abwassersystem und die Modernisierung der Heizung.

Und was ist heute das Beste daran, auf dem Wasser zu arbeiten?
Im Hafen passiert immer etwas: Schiffsverkehr der Touristenboote, die WaPo, die nach dem Rechten schaut, der Blick auf die Elfi, Wind und Wetter und und und.

Haben Sie einen Lieblingsort in Ihrem Office auf Wellen?
Bei schönem Wetter halte ich mich gerne mit einem Kaffee auf der Nock oder auf dem Achterdeck auf. Bei schlechtem Wetter ist es toll hinter meinen Fenstern, an denen der Regen herunterläuft. Mein Lieblingsmöbelstück ist die Harley als Hochtisch.

Haben Sie jetzt noch mehr Lust, auch auf dem Wasser zu leben?
Aber klar! Die "Wohldorf" müsste dafür aber noch gehörig gedämmt werden. Ich habe übrigens bereits zwei Jahre auf einem Hausboot in der Billwerder Bucht gelebt. Aktuell lebe ich in gemauerten Wänden – aber direkt an der Doveelbe.

Vintage-Charme

Von außen ein Hamburger „Linienbus ohne Räder“ wie die anderen, bietet das Büroschiff "MS Wohldorf" innen Vintage-Charme, wo man hinsieht. Auf dem Hauptdeck fällt ein Panzerschrank ins Auge, der stark nach 19. Jahrhundert aussieht. Eine Plakette verrät den Hersteller, J. B. Rocher, Bruxelles.

„Der Safe sollte ursprünglich aufs Oberdeck kommen, doch wir konnten ihn nicht einmal zu viert die Treppe hochwuchten.“ Ein Tisch daneben besitzt als Gestell eine liebevoll gefertigte Bastelarbeit. Er ist einem der ersten Motorräder nachempfunden, aus der Zeit, als sie wirklich noch Fahrräder mit Hilfsmotor waren.

Außerdem gibt es filigran verzierte, gusseiserne Rippenheizkörper, funktionstüchtig, genau wie der Panzerschrank. „Nicht gerade maritim“, meint Architekt Bernd Lietzke, „aber es sollte ja auch kein Museumsschiff werden.“ Lietzke, normalerweise an Land tätig, hat den Umbau geplant. 

Taghelle Kombüse
Taghelle Kombüse: Gleich neben dem Büro, auf dem Oberdeck, dem „Obergeschoss“ des Schiffes, befindet sich die Küche. Foto: Andrea Klick
Kombüse im Vintage-Style
Die einzelnen Elemente der "Kombüse" sind optisch perfekt aufeinander abgestimmt. Foto: Andrea Klick
Wasserbehälter im Vintage-Look
Detailverliebt: Ulrich Ritter achtete bei der Ausstattung seiner Fähre auf eine ansprechende Optik im Vintage-Look. Foto: Andrea Klick
Treppenhaus
Im „Treppenhaus“: Die Bodendielen bestehen aus massiver Eiche, Türen und Wandverkleidungen aus Teakholz. Foto: Andrea Klick

Raum im Raum

Das Oberdeck beherbergt Ritters Büro samt Teeküche. Auf dem Hauptdeck, also quasi im Erdgeschoss, wurde neben einem großen Veranstaltungsbereich ein kleinerer Besprechungsraum geschaffen. Und zwar, indem innen vor die Schiffsaußenwände eine zweite Wand gesetzt wurde, backbord und steuerbord bodentief verglast, zum Heck und zum Bug hin mit Wärmedämmung – das ist selbst im Hamburger Winter behaglich. Oben an seinem Schreibtisch reicht dem Eigentümer eine kleine Infrarotheizung.

Eigentlich war angedacht, im Besprechungszimmer auch die Decke zu dämmen. Letztlich beließ man das Original mit seinen Stahlverstrebungensichtbar. Ohnehin sind die Raumhöhen mit um die 1,90 Meter bescheiden. Beklemmend wird es trotzdem nicht, dank der rundum laufenden Fenster im ehemaligen Linienbus zu Wasser.

Die WC-Türen bestehen aus himmelblau beziehungsweise zitronengelb gestrichenen Latten. Der Architekt ließ sich vom Strandhuset inspirieren, dem typisch dänischen Strandhäuschen. Dagegen sind die Urinale im Herren-WC eine Idee Ritters: es handelt sich um ehemalige Bierfässer.

Urinale im Vintage-Look
Aussortierte Bierfässer vom „Moorfleeter Getränkemarkt“ wurden zu Urinalen umgeschmiedet. Foto: Andrea Klick
Ulrich Ritters Büro auf der Fähre
Heute die Brücke, wenn man so will: Ulrich Ritters Büro auf dem Oberdeck, aus Stahl, Holz und Glas. Foto: Andrea Klick
Rippenheizkörper in Vintage-Optik
Rippenheizkörper: vermeintlich antik, doch tatsächlich fabrikneu, von einer Firma aus dem englischen Scarborough in North Yorkshire. Foto: Andrea Klick

„Hafendiensttauglich“

Die „Wohldorf“ war 1959 vom Stapel gelaufen, war 23 Jahre lang im Einsatz gewesen, anschließend als Restaurant genutzt worden. Ulrich Ritter erwarb sie 2016. Er hatte in den Neunzigern eine zum Wohnschiff umgemodelte Fähre besichtigt und Feuer gefangen. Zwischenzeitlich hatten er und seine Partnerin sogar in einem schwimmenden Haus zur Miete gewohnt.

"Das Problem: ich habe viel Fantasie und viele Ideen, bin allerdings kein Handwerker", schmunzelt Ulrich Ritter. Seine anfangs recht ehrgeizigen Pläne musste nach dem Kauf Tobias Zikofsky zurechtstutzen. Der Maschinenbauingenieur aus Kiel kümmerte sich um den technischen Teil. "Der Befund an Bord war schnell klar: Alle Systeme mussten überarbeitet bzw. erneuert werden."

Seetüchtig würde das gute Stück nicht mehr werden. „Der Motor war tot“ – und zu schwer, zu sperrig, um ausgetauscht werden zu können. Aber einer Karriere als „Hafenlieger“ stand nichts im Weg. 

Nachrüsten

Zu tun gab es dennoch einiges. Zuerst musste die Asbestdämmung der Abgasanlage entfernt werden. Ritter: „Über die hat der Gutachter, den wir vorher hinzugezogen hatten, kein Wort verloren.“ Und Zikofsky erinnert sich: „Die Asbestsanierung brachte das Projekt fast zu Fall.“

Unter Deck waren neben anderem die fest eingebauten Tanks auf eventuelle Lecks zu prüfen. „Mindestens eine Wand eines solchen Tanks wird dabei durch die Außenhaut des Rumpfes gebildet“, so der Ingenieur. Solide elf Millimeter Stahl sind es hier. Es musste jemand durch das „Mannloch“ ins Tankinnere kriechen und nachsehen. Auch der Eigentümer selber tat sich das an. Ergebnis: alles dicht. 

Von den Vorbesitzern sei vieles, „mit Bordmitteln“ in Stand gesetzt worden, sagt Zikofsky. Eine höfliche Umschreibung für „äußerst notdürftig hergerichtet“. Die Installationen waren ein Mix aus Gummischläuchen, Kunststoff- und Stahlrohren, das Abwasser war direkt in den Hafen geleitet worden.

Die Elektrik musste komplett erneuert werden. Fehlerstrom-Schutzschalter wurden nachgerüstet, alle Lampen sind jetzt dimmbar. Telefon und übriger Datenverkehr laufen über einen mobilen Router. 

Aquatektur

Leben auf dem Wasser wird gerade wieder zum Trend erklärt. Es sei die richtige Wohnform in Zeiten des Klimawandels und eines steigenden Meeresspiegels. Da ist etwas dran, und vor allem in den Niederlanden forscht und arbeitet man aus gutem Grund emsig an einer Aquatektur für die nächsten Jahrhunderte.

In Hamburg, wo gerne mehr Menschen ihren Wohnsitz auf den Wellen nehmen würden, bremst die Behörde. Sie hat besonders Bedenken, was die Abwasserentsorgung angeht. Die „Wohldorf“ jedoch ist seit dem Umbau sauber, der entsprechende Tank fasst 10.000 Liter, der Inhalt wird bei Bedarf monatlich abgepumpt.

Überdimensioniert ist er nicht: Hin und wieder finden auf dem Hauptdeck kleinere Feiern und andere Veranstaltungen statt, mit bis zu 30 Personen. Keine Techno- und Disco-Partys, so Ritter, die bekanntlich etwas wilder ausfallen können. „Da fehlt hinterher dann schon einmal eine Tür.“ Wäre schade um die schmucken Türen aus Teak. Einige davon nach Originalvorbild neu gezimmert. Teak ist das Holz der Wahl für den Schiffsausbau, merkt Bernd Lietzke an. "Es ist feuchte- und schädlingsresistent."

Im Fluss

Können sich der Finanzberater und seine Lebensgefährtin vorstellen, eines Tages wieder auf dem Wasser zu wohnen? „Absolut! Unsere Fähre müsste dafür aber noch gehörig gedämmt werden. Vielleicht auf einer moderneren Variante.“

Ganz so groß aber ist die Sehnsucht im Moment nicht. Ihr Eigenheim in Hamburg-Moorfleet liegt direkt an einem ruhigen Seitenarm der Elbe. "Im Sommer springe ich dreimal am Tag in den Fluss“, schwärmt Ulrich Ritter. 

Bautafel

Umbau-Daten:
Baujahr: 1959
Umbau: 2017
Bauweise Bestand: massiv 
Baustoffe Bestand, konstruktiv: Stahl
Bauweise Umbau: Leichtbau 
Dämmung: Mineralwolle (Leichtbau)
Baustoffe Ausbau: Eiche massiv (Dielen), Teakholz (Türen) 
Heizung vorher: Öl-Kessel (Konstanttemperaturkessel v. 1959) als Zentralheizung 
Heizung nachher: Öl-Brennwertkessel als Zentralheizung, Stromheizung (Büro) 

Umbauplanung: Dipl.-Ing. Architekt Dipl.-Des. Bernd Lietkze, Architektur- und Innenarchitekturbüro Bernd Lietzke, Bovestraße 4, Bovehaus, 22041 Hamburg, Tel. 0 40/65 68 14 96, Fax 40/65 68 14 97, E-Mail: Architekturbuero@BerndLietzke.de, Internet: www.BerndLietzke.de

Bordtechnik: Dipl.-Ing. Tobias Zikofsky, TZ Ingenieur GmbH, Schauenburgerstraße 116, 24118 Kiel, Tel 04 31/5 60 63 30, E-Mail: info@tz-ing.de, Internet: www.tz-ing.de

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