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Der Umbau einer Scheune zahlt sich aus

Dieses Haus im grünen Münsterland war einmal ein reiner Zweckbau, eine Fachwerkscheune mit ungewöhnlicher Dachform. Sie gab den Rahmen ab, wortwörtlich, für einen ungewöhnlichen Umbau.

„Eigentlich geht gar nichts … “, so Architekt Gerd Wähning knapp, um gleich darauf einzuschränken: „Na ja, sagen wir mal: wenig“. Außerhalb von Ortschaften würden Bauvorhaben durch den Paragraphen 35 des Baugesetzbuches eben stark eingeschränkt. Und es ist so, § 35 BauGB lässt kaum Spielraum.

Neubauten, Erweiterungen und Umbauten sind nur dann genehmigungsfähig, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit landwirtschaftlicher Tätigkeit stehen, darüber hinaus wird’s schwierig. Damit soll Zersiedelung der Landschaft verhindert werden.

Vor diesem Hintergrund wundert man sich doch etwas über das grosszügige Haus, in dem Stephanie und Kai Schulte – sie keine Bäuerin, er kein Bauer – mit ihrer kleinen Tochter leben, auf 220 Quadratmetern. Fertiggestellt unter Wähnings Leitung.

Eine adrette Fachwerkfassade prangt mit bunten Klinkern, die ein lebendiges Bild ergeben, rot, rotbraun, an manchen Stellen versintert. Unterbrochen wird sie von weißen Sprossenfenstern, die auf der Gartenseite allesamt bodentief sind.

Auf der östlichen Längsseite wurde die massivhölzerne Haustür in eine Verglasung eingepasst, die ihrerseits die Öffnung eines ehemaligen Scheunentors ausfüllt. „Anno 2005“ steht auf dem Gebälk darüber.

Idealer Platz

„Meinst du das ernst? Du willst wieder zu deiner alten Mutter ziehen? Damit sie dich vollquatschen kann?“ So ungefähr habe sie reagiert, als ihr Sprössling mit seinen Zukunftsplänen herausgerückt sei, erinnert sich Birgit Schulte.

Er meinte es ernst. Sohn Kai, damals noch im Rheinland ansässig, hatte einen Arbeitsplatz in Heimatnähe in Aussicht und wenn es einen idealen Ort für die anstehende Familiengründung gab, dann war es das Grundstück, das seine Eltern vor Jahrzehnten erworben hatten, 13.000 Quadratmeter groß.

Zwischen dem ausgebauten Bauernhaus der Senioren und dem Wäldchen stand eine Scheune, in der sein alter VW-Käfer wartete. Die könnte man doch zum vollwertigen Eigenheim ummodeln.

Stur bleiben

„Dazu brauchten wir einen Architekten, der sich was traute… “, sagt Wolfgang Schulte, Vater von Kai Schulte. Wähning hatte Erfahrung mit derartigen Projekten und die Sturheit (gilt in Westfalen als Tugend), die im Umgang mit der Behörde nötig war. Etwa, um ihr klar zu machen, dass man das Baurecht auf seiner Seite hatte.

Kurz zuvor war ein bestimmter Abschnitt des § 35 durch die Landesregierung befristet außer Kraft gesetzt worden, ein Passus, gemäß dem die Umnutzung eines Gebäudes oder eines Hofes lediglich bis zu sieben Jahre nach dessen Auflassung genehmigungsfähig sei, danach nicht mehr.

Wähning: „Weil aber damals immer mehr Hofstellen aufgegeben wurden, befürchtete man Entvölkerung.“ Mit der Lockerung wollte man die Menschen wieder animieren, sich auf dem Land niederzulassen. Nur war diese Information noch nicht beim zuständigen Amt angekommen.

Außerdem hieß es, die Möglichkeiten seien mit der Umnutzung des Bauernhauses bereits ausgeschöpft. Wähning wandte sich schließlich direkt an den Technischen Beigeordneten der Kommune – „ … am Ende habe ich nur noch mit ihm verhandelt … “ – und bekam grünes Licht.

Gesundes Skelett

Nach dem vollständigen Entkernen wurde im Inneren des noch grundsoliden Fachwerkgerüsts eine Grube ausgehoben, das Haus sollte einen Keller erhalten.

Zu diesem Zweck wurde das Gerüst auf Pfosten gestellt, die mit jedem Meter Aushub weiter nach unten verlängert wurden. Auf Nicht-Fachleute wirkte diese Stelzenkonstruktion wackelig bis abenteuerlich, hielt jedoch einwandfrei.

Einem Mitarbeiter des Bauamtes dagegen sah es nach unzulässigem Rückbau aus. Er ließ die Arbeiten stoppen, und Wähning musste das Missverständnis aufklären: Das Fachwerkskelett bliebe selbstverständlich erhalten, das Wohnhaus sollte hineinwachsen, an keiner Stelle darüber hinaus.

In die Grube, in den Münsterländer Sandboden eingetieft, wurde ein Betonkeller mit Bitumenabdichtung gesetzt, eine schwarze Wanne. Direkt hinter dem Gerüst zog man innen die tragende Wand hoch, in statisch hoch belastbarem Kalksandstein, zwischen Kalksandsteinmauer und Fachwerk brachte man eine Mineralwoll-Dämmpackung ein.

So entstand eine beinahe klassische zweischalige Außenwand. Die Gefache wurden mit Ziegelverblendern gefüllt.

Form follows function

Einst als sogenannte „Kappscheune“ errichtet, „Kappschuer“ im Niederdeutschen, war das Gebäude laut Wolfgang Schulte als Durchgangsscheune genutzt worden.

Auf der Ostseite, der mit der hohen Traufe, sei der vollbeladene Heuwagen eingefahren, sei entladen worden und auf der Westseite durch ein niedrigeres Tor wieder herausgefahren. Unter dem Dach mit der eigenartigen, asymmetrischen Form – links und rechts von der nicht mittig verlaufenden Firstlinie ist die Dachneigung unterschiedlich – musste man folglich die Zimmer abweichend von der Norm zuschneiden.

A bisserl was

Von der Substanz her gesehen hat man es größtenteils mit einem Neubau zu tun. Und das im Außenbereich, im Geltungsbereich des Paragraphen 35.

Wären allerdings Bauherrschaft und Architekt nicht am Ball geblieben, stände hier heute noch die alte Scheune.

Einige hundert Kilometer weiter südöstlich, in Bayern, wo die Behörden nicht weniger streng sind, würde man in so einem Fall Monaco Franze zitieren: „A bisserl was geht immer.“ Manchmal sogar mehr als „a bisserl“.

Umbau-Daten

Baujahr Altbau: keine Angaben
Umbauplanung: März – August 2004
Umbau: November 2004 – Oktober 2005
Bauweise Bestand: Fachwerk, Ziegelausfachung
Baustoffe Bestand, konstruktiv: Eichenholz
Bauweise Umbau: massiv (zweischalige Wand)
Baustoffe Umbau, konstruktiv: Kalksandstein, Stahlbeton
Baustoffe Ausbau: Gipsputz, Fliesen
Dämmung: Mineralwolle (20 cm)
Dachdämmung: Mineralwolle, Holzfaserplatten
U-Werte der Außenwände: ca. 0,28 W/(m²K)
U-Wert der Fenster: ca. 1,2 W/(m²K)
Heizung: Scheitholzkessel
Wohnfläche: UG ca. 85,96 m², EG ca. 123,25 m², DG ca. 96,69 m²
Umbaukosten: keine Angaben
Umbau-Planung: Dipl.-Ing. Architekt Gerd Wähning

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